Büchner Abend: Lenz Macht Liebe
hier der Artikel aus der Main-Spitze vom 7.2.2016
Reise durch die deutscheSeele
BÜCHNERBÜHNEProgramm „Lenz,Macht,Liebe" interpretiert Volkslieder im Wandel der Geschichte
Von Natalia Schmidt
Das gab es alles schon einmal, wird sich manch bedrückt schauender Gast gedacht haben. Der zweite Gedanke: Das alles entwickelt sich gerade wieder in diese Richtung.
Die Darsteller der „Büchnerbühne" aus Riedstadt führten mit ihrem Programm „Lenz, Macht, Liebe" die Auswüchse von Verboten und Umwidmungen einfacher deutscher Lieder vor, sodass den rund 40 Gästen jegliches Mitsingen zu den bekannten Stücken im Halse stecken blieb.
Auf engstem Raum im Naturfreundehaus zeigten die sechs Protagonisten, was es mit dem deutschen Volkslied auf sich hat. Ein Liederabend, der nicht zum Mitsingen oder Spaßhaben gedacht war, entwickelte eine ganz düstere Dynamik. Eingewebt in die Geschichte dunkelster Zeit, die noch nicht lange her ist und aus der immer noch nicht genug gelernt worden ist, erklangen Lieder, angefangen vorn mittelalterlichen Minnegesang bis in die 30er Jahre und noch etwas weiter, wie Intendant Christian Suhr erklärte.
Immer wieder wurde Musik - je nach Herrscherlaune - verboten und als Sarkasmus der bittersten Form benutzt. Dass Musik jedoch Menschen verbinden kann, zeigten die szenischen Darstellungen in „Luigis Bar", in die der Saal kurzerhand um funktioniert worden war. Die Gäste an den Tischen spielten die Rolle der Statisten, die in einer Art Schockstarre dem Treiben wortlos folgten. „Wir betrachten das deutsche Volks Lied als Reise durch die deutsche Seelenlandschaft", sagte Suhr. „Wir befinden uns zeitlich im späten Herbst des Jahres 1944. Das Naturfreundehaus stellt eine Jazzbar in Berlin dar, wo verbotene Musik gespielt wird.
In dieses Nachtcafe kommen Menschen, die eine 'Zuflucht suchen. Nur dabei haben sie ihre Lieder."
Mit diesen Worten ließ er das Spiel beginnen mit lauter Musik, zu der einzelne Personen die Szenerie betraten. Bis ein Soldat die Bar betritt und die Angst in den Gesichtern aufflackert. Die großartige schauspielerische Fähigkeit der Künstler zieht augenblicklich bis zum bedrückenden Finale sämtliche Register, um mit den Liedern die passende Stimmung zu er zeugen.
Vor Augen geführt wurde die Geschichte von Zensur bis hin zur Diktatur. Es ging um Sinnlosigkeit und Unterdrückung bis hin zum Aufbegehren und trotziger Hoffnung.
Das alles konnten Lieder von „Die Gedanken sind frei" bis hin zum vertonten Gedicht von Friedrich Rückert „Du bist ein Schatten am Tage" verdeutlichen. Mitgerissen von der ausdrucksstarken Spielweise der Schauspieler tauchte man ein in die „Selige Sehnsucht" von Goethe, bei der man nur „ein trüber Gast" ist, wenn man kein Mitgefühl hat.
Hätte es einen Vorhang gegeben, so wären es vier Vorhänge gewesen. Viermal mussten die Darsteller zurückkommen und sich ihren wohlverdienten und nicht enden wollenden Applaus nach der 80-rninütigen Aufführung abholen.