Rückblicke

Verlegung Stolperschwelle

Rede von Armin Herber

Die Ansprach von unserm Mitglied Armin Herber (Opel Betriebsrat)

Erste Verlegung einer Stolperschwelle in Rüsselsheim

21.05.2016


Meine sehr verehrten Damen und Herren
Liebe Kolleginnen und Kollegen

Sie kamen nach Rüsselsheim, weil sie dazu gezwungen wurden.

Vor nicht allzu langer Zeit, kürzer als ein Menschenleben,
mussten in den Jahren zwischen 1940 und 1945 mehr als 7000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene unter härtesten und unmenschlichen Bedingungen im Opel-Werk arbeiten und leben, um die Kriegsproduktion der deutschen Wehrmacht am Laufen zu halten.

Um Nachschub für einen Krieg zu liefern, der von deutschen Faschisten ausgelöst wurde und der mehr als 60 Millionen Opfer in Europa und in anderen Teilen der Welt gefordert hat.

Wir haben uns heute hier versammelt, um mit einem unübersehbaren Zeichen, einer Stolperschwelle, an die Menschen zu erinnern, die im Opel-Werk Zwangsarbeit leisten mussten und denen in dieser Zeit großes Leid zugefügt wurde.

Nicht weit weg von diesem Ort, am Ende der Mainzer Straße waren sie in Baracken untergebracht.

Durch harte Arbeit wurden sie täglich ausgebeutet, gequält und erniedrigt, um Flugzeugteile für die JU 88 und anderes Kriegsgerät zu produzieren.

Männer, Frauen und Kinder aus verschiedenen Ländern Europas, Frankreich, Belgien, Italien, aus den sogenannten Ostländern vor allem aber aus Russland.

Letztere mussten die härtesten Bedingungen ertragen, denn sie galten als Untermenschen und waren rechtlos.

Jede der 44 Baracken auf dem Werksgelände war mit mehr als 100 Menschen belegt.

Stalin-Allee, so nannte man den Weg, den sie täglich zu ihrer Arbeit zurücklegen mussten.

Die Menschen litten Hunger.

Eine medizinische Versorgung war kaum vorhanden.

Und bei einem Luftangriff durften die Zwangsarbeiter keine Schutzräume aufsuchen.

Viele Tote und Verletzte waren die Folge.

Das alles ist für uns heute kaum noch vorstellbar aber es geschah nicht fernab am anderen Ende der Welt sondern inmitten von Rüsselsheim, inmitten des Opel-Werkes, in dem schon damals mehr als zehntausend Menschen beschäftigt waren.

Schlimmer noch, denn die beschriebenen Ereignisse können und dürfen nicht isoliert betrachtet werden.

All diese Gräuel sind eingebunden in das düsterste Kapitel der deutschen Geschichte, in der Faschisten die Macht übernahmen und ein menschenverachtendes Regime errichteten.

Es ist auch heute noch erstaunlich und erschreckend zugleich, wie schnell es gelang, die einstige Kulturnation Deutschland, in der vorher bereits starke demokratische und soziale Bewegungen existierten, wie schnell dieses Land in einen Ort des Schreckens und der Unmenschlichkeit verwandelt wurde.

Viele haben dabei mitgemacht.

Zu viele.

Andere haben weggeschaut.

Es gab aber auch Menschen, die trotz aller Gefahren und Repression Widerstand gegen den faschistischen Terror geleistet und menschliche Werte vertreten haben.

Auch bei Opel gab es Widerstandsgruppen.

Stellvertretend dafür möchte ich die Namen Fritz Zängerle, den ersten Betriebsratsvorsitzen des Opel-Werkes nach dem Krieg und Walter Rietig, ebenfalls ein Opler, nennen.

Ihnen und anderen ist es zu danken, dass Deutschland den Neubeginn nach Krieg und Faschismus nicht ganz ohne Würde und Selbstachtung antreten konnte.

Aber allein die Erinnerung zu bewahren genügt nicht.

Wir, die Nachgeborenen, stehen in der Verantwortung, dass sich solche Geschehnisse, Faschismus und Völkermord nicht noch einmal wiederholen.

Wir müssen die Bedingungen dafür schaffen, dass in unserer Gesellschaft auch in vermeintlich schwierigen Zeiten, Menschenrechte, Demokratie und Toleranz täglich neu gelehrt, gelebt und erfahren werden.

Mit der Stolperschwelle wollen wir verdeutlichen, dass das Leid der betroffenen Menschen auch mehr als 70 Jahre nach dem Krieg nicht vergessen ist.

Viel wichtiger aber ist es, diese Erinnerung auch in den Köpfen folgender Generationen zu verankern.

Es freut mich daher ganz besonders, dass Schüler der Gerhard-Hauptmann-Schule Einzelschicksale von Zwangsarbeitern recherchiert und damit einen Beitrag gegen das Vergessen geliefert haben.

Für diesen Beitrag möchte ich mich im Namen des Betriebsrats der Adam Opel AG ganz herzlich bedanken.
 

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