Rückblicke

Heilkräuterwanderung

Gegen Schmerz und böse Geister

06. August 2013 | Von Andrea Volb
Gegen Schmerz und böse Geister

Pflanzen – Bei einer Exkursion an der Horlache lernen die Teilnehmer die Heilkräuter und ihre Wirkung kennen
Der Beifuß gehört zu den Käutern, die wegen ihrer Bitterstoffe geschätzt sind. Er war eine von rund einem Dutzend Heilplfanzen, die Michael Wenzel (Mitte) und Ulrike Hesse (rechts) bei einer Exkursion am Horlachgraben vorstellten. Foto: Andrea Volb
| Vergrößern | Der Beifuß gehört zu den Käutern, die wegen ihrer Bitterstoffe geschätzt sind. Er war eine von rund einem Dutzend Heilplfanzen, die Michael Wenzel (Mitte) und Ulrike Hesse (rechts) bei einer Exkursion am Horlachgraben vorstellten. Foto: Andrea Volb

Die Zichorie steht für die treue Liebe. Ein bisschen pulverisierte Wurzel ins Essen des Liebsten, und er hat keine Augen mehr für andere. Das soll vorbeugend wirken, aber auch intervenierend. In erster Linie aber ist die Zichorie, auch gemeine Wegwarte genannt, eine Heilpflanze, die wie viele andere, wegen ihrer Bitterstoffe geschätzt wird, wie die Heilpflanzenexperten und Phytotherapeuten Ulrike Hesse und Michael Wenzel am Sonntagmorgen beim Heilkräuterspaziergang rund ums Naturfreundehaus erklären. „Die Mutter aller Salate“, sagt Ulrike Hesse über die Zichorie. Die jungen Stängel können als Salatkraut oder Gemüse gegessen werden. Die Wurzel, pulverisiert und geröstet, dient auch als Kaffee-Ersatz.

Der erste bittere Vertreter steht gleich nach ein paar Schritten entlang der Horlache am Wegesrand: der Beifuß. Man kennt diese mannshohen rotbraunen Stängel mit den mattgrünen gezackten Blättern und den silbergrauen rispigen Blütenkügelchen. Die Teilnehmer rubbeln und schnuppern: würzig. Der Beifuß wird nicht unsekraut genannt. Er gehört an die Weihnachtsgans. „Seine Bitterstoffe helfen bei der Fettverdauung, weil sie die Gallen- und Magensäfte anregen“, erklärt Michael Wenzel. Die Teilnehmer schieben sich ein Blättchen in den Mund, kauen und verziehen das Gesicht.
Geschnippelt am Salat oder im Omelett

Doch auch zu dieser Pflanze etwas Mythologie: Dämonen soll sie abhalten und böse Geister. Ein Sträußchen um die Wade gewickelt schützt den Wanderer vor wilden Hunden und Schlangen und vertreibt außerdem die Müdigkeit. Zu verwenden ist das ganze Kraut, Blatt und Blüte, geschnippelt am Salat oder im Eieromelett, erfahren die 24 Heilkräuterwanderer.

Kaum fünf Meter weiter steht die Wilde Möhre, und wieder herrscht Einigkeit: Schon Hunderte Male hat man sie gesehen, aber nicht gewusst, wie diese Pflanze heißt. Markant sind die zu Körbchen zusammengezogenen Dolden. Die Wilde Möhre ist ein Elternteil der Möhre und ihre Wurzel zwar nicht orange, aber ebenfalls essbar, berichtet Michael Wenzel. Er allerdings sei bislang erfolglos geblieben beim Ausgraben.

Ungleich leichter heranzukommen ist an das Kraut, das sich ebenfalls fürs Kochen eignet, aber auch getrocknet in Alkohol zu einer Urtinktur extrahiert werden kann. Der Wilden Möhre werden zentrierende Kräfte zugesprochen. „Man schließt vom Aussehen einer Pflanze auf ihre Heilkraft“, sagt Michael Wenzel. Die weiße Blütendolde hat in der Mitte ein schwarzes Auge, sodass in all dem Stress und der Überflutung aus dem Lot geratene Menschen wieder zur Mitte finden. „Es ist doch auffällig, dass die Wilde Möhre zurzeit besonders häufig vorkommt“, sagt der Kräuterfachmann mit vielsagendem Unterton.

Es ist kein weiter Spaziergang nötig, um an der Horlache Heilkräuter zu entdecken. Ein paar Meter nach links, einmal umdrehen, zwei Schritte hinüber auf die andere Seite des Wegs reichen, um gleich mehr als ein Dutzend von ihnen zu finden: den Nelkenwurz oder die Hundsrose, auch Hagebutte genannt, Schafgarbe, Spitz- und Breitwegerich, Johanniskraut, Hopfen, Bruchweide, Brennnessel, Holunder, Weißdorn.
Wirkung auf Körper und Seele

Zu jedem Kraut erzählen die beiden Phytotherapeuten von der Wirkung auf den Körper, aber auch von der mythologischen Bedeutung. Ein Sud aus Schafgarbe eignet sich gut für entgiftende Leberwickel, der Spitzwegerich ist ein pflanzliches Antibiotikum, der Hopfen kann mit seinen pflanzlichen Östrogenen bei Wechseljahrbeschwerden helfen. Ein besonderer Baum ist die Bruchweide, denn ihre Rinde enthält bis zu 20 Prozent Gerbstoffe, die zusammenziehend und damit schmerzlindernd wirken. Michael Wenzel führt den Beweis: Ein Stück Rinde auf die Zunge gelegt, hinterlässt ein taubes Gefühl. Allerdings jetzt, im Hochsommer, nicht mehr so sehr wie im Frühjahr, wenn der Baum noch voll im Saft steht. Auch von der Weidenrinde lassen sich die Wirkstoffe mit Alkohol in eine Urtinktur einfangen.

Überall am Horlachgraben und auch sonst überall wächst die Brennnessel, der die meisten Teilnehmer mit Skepsis begegnen. Brennnessel wirkt reinigend entschlackend, erklärt Ulrike Hesse. Eine Frau zupft sich gleich ein paar von den traubenförmig angeordneten Blütenständen ab und steckt sie in den Mund. „Die sind lecker“, sagt sie. Man kann sie auch trocknen oder ein wenig anrösten und übers Essen streuen. „Oder sich mal mit einem Bündel Brennnesselblätter+ über die Wade streichen – das macht hellwach“, fügt Michael Wenzel hinzu und gerät ins Schwärmen von der „positiven Aggressivität der Pflanze. Nun ja, man kann das mal im Hinterkopf behalten für ganz müde Tage.

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